Zwei Herzen – Goldglanz‘ Geschichte (Teil 1)

Di Sandro war lange Zeit mein Herzenspferd. Er war mein Held und mein Lebensinhalt. Schon bevor ich ihn das erste Mal traf, träumte ich von einem Pferd wie ihm! Genau wie Pia schon immer von Goldglanz träumte …

Als er zu mir kam war er gerade fünf Jahre alt. Es war im Frühjahr 2008 und ich flog extra von London nach Bremen, um ihn dort das erste Mal zu besuchen.

Ich war alleine unterwegs. Einen festen Reitlehrer hatte ich zu dem Zeitpunkt nicht und in meiner Familie interessierte sich niemand groß für Pferde. 

Aber das störte mich nicht. Ich war bereit für jedes Abenteuer und unfassbar aufgeregt.

Vorab hatte ich mir natürlich viele Bilder und auch ein paar Videos von Di Sandro angesehen, viel wusste ich aber nicht.

Ahnung hatte ich auch kaum.

Allerdings gehörte er einer Freundin meiner Tante, die zu diesem Zeitpunkt das zweite Mal schwanger war und daher eines ihrer Pferde abgeben musste. 

Ich wurde wahnsinnig lieb empfangen, abgeholt, herumkutschiert, mir wurde halb Norddeutschland und gefühlt jedes Pferd, von jedem Bekannten, in jedem Hinterhof gezeigt. Ich war im Pferdehimmel! 

Als erstes durfte ich natürlich die Pferde meiner Freunde reiten. Sie standen damals auf der Reitanlage Böckmann. 

Grundsätzlich hatte ich noch nicht besonders viele Pferde geritten. Darum hatte ich auch keine Ahnung, wie ich mich so anstellen würde. Ich war also ziemlich nervös. Besonders mutig war ich zudem auch nicht gerade. Als Kind war ich nämlich ziemlich viel vom Pferd geflogen … was mich nie davon abhielt wieder aufzusteigen … aber einen gesunden Respekt hatte es mich doch gelehrt.

Drum war ich auch um so nervöser, als ich zuerst auf eine gerade angerittene, dreijährige Stute sitzen sollte. Aber gut. Keifen kommt bei mir auch nicht in die Tüte. Niemals. 

Es ging besser als gedacht, aber trotzdem war mir auch schnell klar, dass mir die Stute einfach zu roh war. Ein bisschen war zu reiten wollte ich schon haben. 

Also stieg ich als nächstes auf Di Sandro.

Das lief dann mal gar nicht so gut. 

Di Sandro war zwar vorbildlich brav, aber er war nicht zu Stoppen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich konnte ihn einfach kaum durchparieren oder bremsen. Er wurde immer schneller. Ich glaube einen Moment lang hatten alle Angst, er würde mit mir durchgehen!

Mir war sofort klar, dieses Pferd war eine Granate! Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich damit umgehen konnte. 

Aber trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb – entschied ich mich am Ende für ihn. Er war zwar nicht besonders rittig (wie gesagt, die Bremse war schwer zu finden und auch mit Biegung hatte er’s nicht sooo), wie die Profi-Reiter unverwandt zugaben, aber dafür hatte ich sofort das Gefühl ihn zu kennen und ihm zu vertrauen. Abgesehen davon war ich, was die Rittigkeit von Pferden anging, auch kein bisschen verwöhnt. Während andere Kinder gelernt hatten wunderschön auf dem Pferd zu sitzen, hatte ich gelernt, auch mit dem schwierigsten Pferd zurecht zu kommen; nicht aufzugeben und solange zu probieren, bis es klappte.

Ich brachte Di Sandro also nach England, wo ich zu dieser Zeit studierte. Er war mein Traumpferd! Mein erstes richtig eigenes Pferd und noch dazu ein Dressurtalent. Für mich war er das beste Pferd der Welt. Egal was die ganzen Pferdeprofis so sagten.

Er ist kein Kracher, sagten sie.

Er hat einen Trab für ne‘ 4, sagten sie.

Er ist steif, sagten sie.

Er ist nicht rittig, sagten sie.

Aber er ist ein solides Reitpferd. Darin waren sich doch die meisten einig. 

Mir war das alles egal. Von da an war er MEIN Pferd. Mein Goldglanz.

Noch nie hatte ich auf so einem tollen Pferd gesessen! Ich war hin und weg und unglaublich stolz. 

Leider stieß ich aber trotzdem schon bald auf die ersten Probleme. Der Reitlehrer in meinem Stall war (auch) kein Fan von Di Sandro. Er war ihm einfach zu steif und zu lang. Meine wiederholten Hilfegesuche lehnte er leider ab. Stattdessen verwies er mich an die Physio, die Di Sandro doch mal durchchecken sollte.

Natürlich war er kerngesund. Die Physio gab ihm lachend eine kleine Massage.

Ich war happy, aber einen Reitlehrer hatte ich immer noch keinen. 

Ich kam zwar sehr gut klar mit Di Sandro, allerdings war ich einfach sehr unerfahren und hätte gerne jemand an meiner Seite gehabt, der Di Sandro für mich ausgebildet hätte. Vor allem was die Fliegenden Wechsel anging, die er zu dem Zeitpunkt noch nicht konnte. 

Aber gut, ich improvisierte. 

Was blieb mir anderes übrig!? Ich hatte das beste Pferd der Welt und es musste ausgebildet werden. Also musste ich entweder der Situation gewachsen sein oder das Handtuch werfen. 

Wobei Letzteres für mich niemals in Frage kommt!

Meine beste Freundin war damals schon befreundet mit der Familie Hess. Sowohl Christoph Hess, als auch sein Sohn Philipp kamen öfters nach England um zu internationale Turniere zu richten oder Lehrgänge zu geben. Sobald Philipp oder Christoph in der Nähe waren, packten wir unsere Pferde auf den Anhänger und fuhren los.

Die Reitstunden der beiden verdiente ich mir übrigens, in dem ich die Webseite von Hof Bettenrode ins Englisch übersetzte!

Christoph und Philipp waren eine große Hilfe! Während eines Lehrgangs lernten Di Sandro und ich dann die Fliegenden Wechsel. Es war zunächst unglaublich schwer, den ersten Wechsel hinzubekommen – was sicherlich vor allem an mir lag, ich hatte ja keine Ahnung. Aber schon bald darauf machten wir gute Fortschritte – alleine zuhause. Ein echtes Wunder! Zwei ahnungslose Nix-Blicker on a Mission! Aber Di Sandro und ich waren vom ersten Moment an ein gutes Team, wir versuchten unsere mangelnde Erfahrung durch gegenseitiges Verständnis wettzumachen. Und es gelang uns.

Ein Jahr nachdem ich Di Sandro gekauft hatte, fuhren wir auf unser erstes Turnier. Ich gewann meine erste Schleife – und es war auch Di Sandros erste Schleife in einer L**. Ich war so unfassbar aus dem Häuschen. 

Danach folgte dann eine regelrechte Siegesserie. Jede Prüfung zu der wir antraten, konnten wir für uns entscheiden. Und selbst bei gut besuchten Turnieren, wie den Hickstead Dressage Masters, waren wir unschlagbar. Ob bei Wind, strömendem Regen oder Sonnenschein, Di Sandro machte immer einen Bombenjob. Hochkonzentriert. Fehlerfrei. Immer.

Wir qualifizierten uns drei Jahre in Folge für die Britischen Regionalmeisterschaften. Erst in der L, dann in der M* und schließlich auch in der M**. Platziert wurden wir auch dort jedes Mal, nur für ein Ticket zu den Nationals reichte es leider nie. 

Kurz bevor wir unsere Koffer packten und die Insel im August 2011 verließen, gewannen wir dann unsere erste S*. Ich war noch nie so stolz und glücklich gewesen, wie an diesem Tag!!!

Vor allem lief die Prüfung eigentlich nicht besonders gut für mich. Es war bullenheiß und ich hatte furchtbare Kreislaufprobleme. Schon nach dem Satteln war ich schweißgebadet und fix und alle. Das Abreiten war anstrengend, Di Sandro ein wenig übermotiviert an diesem Tag.

Dann die Prüfung – bereits nach der ersten Ecke wurde mir ganz schummrig und dann auch noch schwarz vor Augen. Di Sandro hat die Prüfung für mich beendet. Fehlerfrei. So wie immer eben. 

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Ein Kommentar

  1. Die Geschichte ist echt meeega süß!!! Ich habe beim Lesen vor Rührung geheult…
    Ich habe gleich drei Pferde, die ich so liebe. Schon seit ich sechs oder sieben war, hatte meine Mutter ein Pferd kaufen wollen. Wir beide lieben Pferde über alles und hatte ein Pflegepferd. Im gleuchen Stall waren zwei neue Einstellerpferde angekommen und kurz danach stand eines von ihnen zum Verkauf. Gibsy ist zwar alt, hatte einen schrecklichen Senkrücken und war extrem kopfscheu, aber sie ist eine Seele von einem Pferd, auch wenn sie viel Temperament hat. Jedenfalls haben wir sie dann mehr oder weniger spontan zum Schlachtpreis gekauft. Auch wenn wir für sie keine Papiere haben und nichts über ihre Vorgeschichte wissen, lieben wir sie sehr und sie darf einen schönen Lebensabend bei und verbringen.
    Als wir mit Gibsy vor etwa vier Jahren in einen anderen Stall zogen, lernte ich meinen zweiten Schatz kennen. Bilbo war ein vierzehn Jahre alter Shetty-Mix und der Inbegriff eines unfreundlichen Ponys. Auch wenn er oft sehr miese Laune hatte, habe ich ihn sehr ins Herz geschlossen und inzwiischen sind wir ein Herz und eine Seele; wir gehen füreinander durchs Feuer.
    Und vor ein einigen Wochen habe ich mein „Seelenpferd“ gefunden. Pepino ist mit 1,75 m Stockmaß deutlich größer als die Pferde, die wir sonst in den Reitstunden ritten. Als ich ihn reiten durfte, kamen die Sticheleien, ob ich ihn denn überhaupt trensen könne. Aber alles hat perfekt gepasst, es war einfach wundervoll! <3 Auch wenn ich ihn bisher nur zwei Mal geritten bin, ist es, als würden wir uns schon ewig kennen. (Das klingt, als ginge es mir nur ums Reiten, aber mit ihm hatte ich anderweitig noch nichts zu tun…) Wir haben schon eine echte Bindung aufgebaut und immer, wenn ich bei ihm bin, ist die Welt in Ordnung…

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